Emskirchen. Was ist denn bitteschön die Gemeinwohlökonomie und was ist mit Gemeinwohlkommune gemeint? Was ist der Mehrwert? Dieser und anderen Fragen sind Bürgerinnen und Bürger aus Emskirchen, Diespeck, Baudenbach, Neustadt/Aisch und Fürth beim Workshop zum Thema nachgegangen. Die beiden Referenten Andreas Jenne und Gregor Saur (beide Erlangen) sind ehrenamtlich bei der Gemeinwohlökonomie Regionalgruppe der Metropolregion Nürnberg aktiv und gestalteten die Veranstaltung inhaltlich.
Die Idee hinter der Gemeinwohl-Ökonomie, wie sie der Österreicher Christian Felber entwickelt hat, ist im Prinzip sehr einfach, erfordert aber Aufwand in der Umsetzung. Das Prinzip: Nicht mehr das Geld, sondern das Wohl aller Menschen ist der Antrieb für die Wirtschaft. Das Modell setzt auf Kooperation statt Konkurrenz. Sie beschreibt eine sozialere, ökologischere und demokratischere Wirtschaft. Aufbauend auf den Werten Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie Mitbestimmung und Transparenz durchleuchten die Menschen in Gemeinden, Betrieben, Einrichtungen und Organisationen ihr TUN und WIRKEN.
In weltweit 35 Staaten, über 150 Regionalgruppen und etwa 3000 Unternehmen wird die Gemeinwohl-Ökonomie forciert. In Europa hat die Idee Felbers vor allem in Großbritannien und in Spanien für viel Nachhall gesorgt. In Deutschland steckt das Modell vor allem auf politischer Ebene noch in den Kinderschuhen. Erst eine Gemeinde in Bayern hat sich zertifizieren lassen. Das Beispiel der oberbayerischen Gemeinde Kirchanschöring diente immer wieder als Referenz.
Das „Herzstück“ ist eine Gemeinwohl-Gesamtbilanz. Sie stellt den Menschen und alle Lebewesen sowie das Gelingen der Beziehungen zwischen ihnen in den Mittelpunkt des Wirtschaftens. Bisher schon allgemein gültige Werte wie Humanität, Wertschätzung, Kooperation, Solidarität, ökologisches und demokratisches Verhalten sollen in der Wirtschaft Einzug halten.
Zur Erstellung der Bilanz werden Themenfelder wie Ökologie, Mitbestimmung der Mitarbeiter, Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Beitrag zum Gemeinwesen beurteilt. Dazu liegt ein Beurteilungskatalog für das komplette Wirken in der Kommune vor. „Mir ist keine andere Gesamtbilanz kommunalen Handelns bekannt“, so Andreas Jenne. Der Vorteil: Menschen können in der veröffentlichten Gemeinwohl-Bilanz nachlesen, wie sich die Kommune in Feldern wie Menschenwürde, Nachhaltigkeit oder Transparenz präsentiert und danach z.B. eine berufliche Entscheidung treffen oder einen Umzug in eine gut bewertete Kommune in Erwägung ziehen. Die Stärken werden so sehr gut herausgearbeitet, die oft gar nicht richtig bewußt sind. Und davon wußten einige Teilnehmer Beispiele aus ihren Gemeinden aufzulisten. So z.B. in Emskirchen der gut gelungene Umbau des Bahnhofes sowie das Mehrgenerationhaus AurachTreff, in der die Veranstaltung stattfand. Ein Bürger aus Diespeck war sehr angetan von den wöchentlichen Informationen seines Bürgermeisters über kommunale Angelegenheiten, was Transparenz schaffe.
Neben den Stärken zeigt sich bei so einer Bilanz, wo noch Entwicklungspotential herrscht. Am Ende geht es nicht um einen Wettbewerb zwischen den Gemeinden, sondern jeweils in der Kommune, den Betrieben und den Menschen als Individuen um die Mehrung des Gemeinwohls und damit eine besseren Lebensqualität, die ökologisch wie auch sozial tragfähig ist.
Der Weg zu einer Gemeinwohlkommune ist eine freiwillige Leistung der Gemeinde. Zusätzlich zum Jahresabschluss und den Beschlüssen wird dadurch auch die Arbeit auf der Ebene der gelingenden Beziehungen und Kooperationen transparent dargestellt. Das wirtschaftliche und gemeinwohlorientierte Handeln der Gemeinden soll wieder mit Werten und Zielen übereinstimmen, die auch in der Bayerischen Verfassung (Art. 3) bereits verankert sind: „Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat. Er dient dem Gemeinwohl“. Diese Vorgabe aus der bayerischen Verfassung kann und soll für unser aller Handeln eine Richtschnur sein. Für Gemeinden ist der Gemeinwohlbericht eine umfassende Darstellung ihrer Aktivitäten. Oft ist die Darstellung der geleisteten Arbeit eine schwierige Aufgabe. „Die Gemeinwohlbilanz (Gemeinwohlbericht und Gemeinwohlmatrix mit den Bewertungen) ist das zentrale Werkzeug der Gemeinwohlökonomie. Gemeinden sagen immer, dass sie von Natur aus dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Dann jedoch den Schritt zu tun, sich auf eine systematische Darstellung des eigenen Tuns einzulassen, verlangt ein wenig Mut und Selbstvertrauen.“ so Gregor Saur.
Die Idee wurde vorgestellt und Adressen ausgetauscht. Ob die Idee auch in unserer Region genug Unterstützer findet, war am Ende der Veranstaltung unklar. Jenne und Saur würden den Prozess jedenfalls unterstützen. „Eine Reise nach Kirchanschöring oder ein genauer Blick in deren Gemeinwohlbericht wären mögliche nächste Schritte“, so Jürgen Osterlänger als Veranstalter von der örtlichen Initiative „Emskirchen im Wandel“ abschließend.